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Auf der internationalen Konferenz der Alzheimer Gesellschaft in Amsterdam wurden im Juli zwei Studien vorgestellt, die den Einfluss einer Hörgeräteversorgung auf die Gehirnleistung über mehrere Jahre untersucht haben. Beide Längsschnittstudien liefern nun aussagekräftige Evidenz für den Nutzen der Hörversorgung auf den Erhalt kognitiver Funktionen.

Frau spielt Schach

Auf der internationalen Konferenz der Alzheimer Gesellschaft in Amsterdam wurden im Juli zwei Studien vorgestellt, die den Einfluss einer Hörgeräteversorgung auf die Gehirnleistung über mehrere Jahre untersucht haben. Beide Längsschnittstudien liefern nun aussagekräftige Evidenz für den Nutzen der Hörversorgung auf den Erhalt kognitiver Funktionen.  

Der Einfluss einer Schwerhörigkeit auf die Kognition wurde in den letzten Jahren viel diskutiert und gilt als etabliert, auch wenn die kausalen Zusammenhänge noch nicht eindeutig sind. Die Lancet Commission hat im Jahre 2020 erneut publiziert, dass Hörverlust der größte vermutlich modifizierbare Risikofaktor im mittleren Lebensalter für Demenz ist.1 Die bisherige Evidenz basierte hauptsächlich auf Studien, die große Datensets retrospektiv analysieren. Viele der in den letzten Jahren publizierten Studien zeigten eine positive Tendenz des Einflusses einer Hörversorgung, allerdings war das Gesamtbild der Evidenz uneindeutig.2   

Die Studienleiter der ACHIEVE3 Studie Prof. Frank Lin und Prof. Josef Coresh von der John Hopkins University, Baltimore, USA, stellten nun erstmals die Ergebnisse der Studie vor. Ziel der Studie war es, eine Antwort auf die Frage zu finden, ob eine umfassende Hörversorgung, einschließlich einer Hörgeräteanpassung, dazu beiträgt, den Abbau kognitiver Funktionen in einer Gruppe älterer Teilnehmender zu verringern. Die Studie ist die erste randomisierte, kontrollierte Längsschnittstudie, in der diese Hypothese über einen Zeitraum von drei Jahren in zwei verschiedenen Kohorten mit insgesamt 977 Teilnehmenden getestet wurde. Die eine Kohorte bestand aus gesunden Freiwilligen, die zweite Kohorte aus Teilnehmenden einer bereits bestehenden Population der «Heart Health Studie». Als Kontrollintervention erhielten die Teilnehmenden ohne Hörversorgung ein Bildungsprogramm zur Unterstützung gesunden Alterns. In der Kohorte älterer Menschen mit erhöhtem Risiko für Demenz wurde ein positiver Effekt der Hörversorgung auf die kognitiven Funktionen (globale Kognition) beobachtet, während sich in der Kohorte älterer Menschen mit geringerem Risikoprofil keine Auswirkungen auf die Kognition zeigte. Für die Teilnehmenden mit einem erhöhten Risiko (n=120) wurde der Verlust der Denk- und Gedächtnisfähigkeiten über drei Jahre durch die Hörversorgung um fast die Hälfte (48%)3 reduziert, was sich für die Teilnehmenden des Bildungsprogrammes nicht zeigte (n=118). In der Kohorte der neu rekrutierten, jüngeren und gesünderen Freiwilligen hatte die Hörversorgung keinen Einfluss auf die kognitiven Funktionen, allerdings war der kognitive Abbau für diese Gruppe im Beobachtungszeitraum generell sehr gering.3

Eine weitere wichtige Studie wurde auf der gleichen Konferenz von Prof. Julia Sarant von der Universität Melbourne vorgestellt. In der ENHANCE4-Studie wurden 160 Teilnehmende, die eine Hörversorgung einschließlich einer Hörgeräteanpassung erhielten, drei Jahre lang beobachtet. Ihre Leistungen in einer computergestützten Form kognitiver Tests wurden mit 102 Teilnehmenden der Australischen Imaging Biomarker & Lifestyle Study of Aging (AIBL) Studie verglichen. Die AIBL-Gruppe wurde während der dreijährigen Nachbeobachtungszeit nicht mit Hörgeräten versorgt. Die kognitiven Funktionen der Teilnehmenden, die eine Hörversorgung erhielten, blieb über drei Jahre stabil. Im gleichen Zeitraum zeigten die Teilnehmenden der Kontrollgruppe eine Verschlechterung der kognitiven Fähigkeiten. Die Schlussfolgerung dieser Studie ist ähnlich wie die der ACHIEVE-Studie: Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass eine Hörversorgung den kognitiven Abbau verzögern und dass die rechtzeitige Behandlung eines Hörverlusts den Erhalt der kognitiven Funktionen unterstützen kann.  
 
Weitere Einzelheiten zur ACHIEVE-Studie finden Sie hier. Für weitere Informationen zur ENHANCE-Studie klicken Sie bitte hier

Aus unserer Sicht schaffen die Ergebnisse der beiden Studien eine gute Grundlage, um älteren Menschen mit Hörverlust die Bedeutung einer Hörversorgung für das gesunde Altern aufzuzeigen. Dadurch eröffnet sich für uns eine große Chance, gemeinsam in einem interdisziplinären Ansatz, mehr Menschen mit einem Hörverlust davon zu überzeugen, sich um ihr Hören zu kümmern.  

 

  1. Livingston, G.; Huntley, J., Sommerlad, A., Ballard, C., Banejee, S. (2020). Dementia prevention, intervention, and care: 2020 report of the Lancet Commission, DOI:https://doi.org/10.1016/S0140-6736(20)30367-6 
  2. Dawes, P.; Volter C.(2023). Do Hearing Loss Interventions Prevent Dementia.  Z Gerontol Geriat online publication   https://doi.org/10.1007/s00391-023-02178-z 
  3. Lin, F. et al., (2023). Hearing intervention versus health education control to reduce cognitive decline in older adults with hearing loss in the USA (ACHIEVE): a multicentre, randomised controlled trial. The Lancet. Advanced online publication. https://doi.org/10.1016/S0140-6736(23)01406-X 
  4. Sarant, J., et al. (2023 July 16-20). Cognitive Function in Older Adults with Hearing Loss: Outcomes for treated vs untreated groups at 3-year follow-up [Conference poster]. AAIC 2023 Conference, Amsterdam, Netherlands. 
Eine kürzlich veröffentlichte Studie von Jiang F, Mishra SR, Shrestha N et al., 2023, wurde am 12.12.2023 von den Autoren zurückgezogen. Aus diesem Grund wurden von uns textliche Anpassungen diesbezüglich vorgenommen und es wird sichergestellt, dass die zurückgezogenen Inhalte nicht weiterverwendet und veröffentlicht werden. Des Weiteren wurden diese Inhalte in den Ausgaben August und September des GEERS HNO-Newsletters („Schon gehört?“) publiziert. Da es sich bei den Originalen um ein Printmedium handelt, wurden rückwirkend keine Anpassungen vorgenommen. Näheres zur offiziellen Kommunikation des Fachmagazins Lancet kann hier nachgelesen werden.